We must recla­im our church

Schon vor eini­gen Wochen, noch vor der wei­te­ren Zuspit­zung der Miss­brauchs-Kri­se durch die cau­sa Viganò und dem Durch­si­ckern der Stu­die zu den Miss­brauchs­fäl­len in Deutsch­land, sprang mir die­se Über­schrift ins Auge: »We must recla­im our church!« Und obwohl ich als kirch­li­cher Amts­trä­ger for­mal »auf der ande­ren Sei­te« ste­hen mag, füh­le ich mich da mit betrof­fen: Usur­pa­to­ren haben durch kle­ri­ka­len Macht­miss­brauch und durch eine fehl­ge­lei­te­te ideo­lo­gi­sche Agen­da die Kir­che an sich geris­sen. Ich bin Pries­ter gewor­den um einer Kir­che wil­len, die sich um die exis­ten­ti­el­len Nöte der Men­schen küm­mert, sowohl die bren­nen­den intel­lek­tu­el­len Fra­gen wie die ganz unmit­tel­bar prak­ti­schen Bedürf­nis­se: um die Wür­de beson­ders der Schwa­chen und Aus­ge­grenz­ten, um Gerech­tig­keit für die Armen, um Frie­den für die unter Ver­fol­gung Lei­den­den; und um die gro­ßen, drän­gen­den öko­lo­gi­schen und sozia­len Kri­sen, um die Bewah­rung der Schöp­fung sowie um eine frei­heit­li­che und offe­ne Gesell­schaft. All das ist bibli­scher Auf­trag, ange­fan­gen von den Pro­phe­ten des Alten Tes­ta­ments bis hin zur Berg­pre­digt Jesu.

Vie­le enga­gier­te Men­schen haben sich in der Tat in der Kir­che für die­se Anlie­gen ein­ge­setzt. Sie wur­den oft zu wenig beach­tet und man­che hat­ten wegen kri­ti­scher Anfra­gen mit Sank­tio­nen zu kämp­fen. Und kaum dass Papst Fran­zis­kus mit sei­nem Ein­tre­ten für Migran­ten und Geflüch­te­te und mit sei­nen Mah­nun­gen für eine öko­lo­gi­sche Spi­ri­tua­li­tät die­sen Anlie­gen etwas mehr Gel­tung ver­schaf­fen konn­te, sind sie auch schon wie­der vom Tisch. Von der Tages­ord­nung ver­drängt durch die mora­li­sche Kor­rup­ti­on und Unglaub­wür­dig­keit, die in der Kir­che auf­grund der Miss­brauchs­skan­da­le offen­bar wur­de. Ver­drän­gen not­wen­di­ger Refor­men, Ver­schwei­gen von Pro­ble­men und Ver­tu­schen von Ver­bre­chen haben zu einer Läh­mung geführt, die uns als Kir­che unfä­hig macht, unse­ren eigent­li­chen Auf­trag zu erfüllen.

Das kann nicht län­ger so wei­ter­ge­hen und es ist offen­kun­dig, dass ein Aus­weg aus die­ser Kri­se nicht durch punk­tu­el­le Ver­än­de­run­gen und ein Her­um­dok­tern an Sym­pto­men gelin­gen wird. Was es braucht ist, dass die­je­ni­gen die Kir­che für sich zurück­for­dern, um derent­wil­len sie da ist: das Volk Got­tes. Es braucht eine tief­grei­fen­de und grund­le­gen­de Umkehr zum Evan­ge­li­um, die sich nicht nur in from­mem Gere­de und nar­ziss­ti­scher Selbst­be­züg­lich­keit äußert und der es nicht in ers­ter Linie um die Ret­tung der eige­nen Haut geht, son­dern selbst­los und unei­gen­nüt­zig um die Sor­ge für die Men­schen, beson­ders die Schwächs­ten und Schutz­lo­ses­ten. Ich weiß nicht, ob ich mir als kirch­li­cher Amts­trä­ger anma­ßen darf, da das gro­ße Wort zu füh­ren, aber wenn ich sehe, dass es eine sol­che revo­lu­tio­nä­re Bewe­gung gibt, bin ich jeden­falls sofort mit dabei.